Anna Stelljes wurde am 22.03.1873 in Weddewarden/Bremerhaven geboren. Zu ihrer Kindheit und Jugend ist nicht viel bekannt. Sie besuchte die Schule, gab aber selber später bei Aufnahmen in versch. Krankenhäusern an, nicht gerne gelernt und die Schule ungern besucht zu haben. Nichtsdestotrotz schnitt sie bei allen Intelligenzprüfungen im Rahmen von Aufnahmegesprächen gut ab und ihr wurde eine durchschnittliche Intelligenz bescheinigt. Frau Stelljes lebte mit ihrem zweiten Mann bis 1936 in Bremen. Über den ersten Mann ist wenig bekannt. Ebenfalls geben die Akten lediglich Aufschluss über einen Sohn, es müssen jedoch weitere Kinder vorhanden gewesen sein.
Die Krankenakten in Bremen beginnen im Jahr 1927. Von 1927 bis 1936 hält sich Anna Stelljes insgesamt 20 Mal im Krankenhaus Ellen auf. Alle Aufenthalte sind von kurzer Dauer und werden lange mit Erregungszuständen beschrieben. Aus den Akten geht jedoch auch hervor, dass ihr Mann die treibende Kraft für die Einweisungen war und vor diesen Einweisungen es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem alkoholsüchtigen und gewalttätigen Ehemann kam. Ein Antrag auf Entmündigung wird abgelehnt mit dem Hinweis, dass es vermutlich nach einer Trennung von dem Mann gar nicht mehr zu Aufenthalten im Krankenhaus kommen würde und eher eine Prüfung der Entmündigung des Mannes angeraten sei. Ebenfalls wird in den Akten mehrfach erwähnt, dass eigentlich keine psychische Erkrankung vorliege. Erst bei einer Korrespondenz zwischen dem Bremer Krankenhaus und der Landes Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ist von einer manisch-depressiven Erkrankung die Rede. Ansonsten wird Anna Stelljes in allen Akten als gesellig, lustig, zugewandt und freundlich beschrieben.
Ende 1936 ziehen die Eheleute Stelljes nach Hambergen. Als es auch hier zu angeblichen Erregungszuständen kommt, wird Anna am 13.05.1937 mit 68 Jahren das erste Mal in die Heilanstalt Lüneburg als nun zuständiges Krankenhaus eingewiesen. Hier verbleibt sie bis zum Jahr 1941 als die psychischen Kliniken im Rahmen der Aktion T4 aufgefordert waren, vermeintlich unheilbare Kranke zu benennen, die den Tötungsanstalten zugeführt werden sollen. Auf einer dieser Listen landet Anna Stelljes und sie wird am 30.04.1941 in die Zwischenanstalt Herborn verlegt. Von dort kommt sie am 16.06.1941 nach Hadamar und wird dort am selben Tag ermordet. In Hadamar wurden in den Jahren 1941-45 fast 15.000 Menschen ermordet, davon 10.000 alleine im Rahmen der Aktion T4 von Januar bis August 1941. Ende 1940 wurde das Gebäude der Landesheilanstalt Hadamar in eine Tötungsanstalt umgebaut. Auftraggeber war die Organisation der zentralgesteuerten „Erwachseneneuthanasie“, die später als „Aktion T4“ bezeichnet wurde. In der Berliner Tiergartenstraße 4 hatte die Organisation ihren Hauptsitz. Der Auftrag zur Durchführung der Morde kam von Adolf Hitler selbst. In Hadamar wurden im Rahmen des Umbaus eine Gaskammer und Krematoriumsöfen errichtet. Die Patienten kamen aus den Zwischenstationen mit Bussen nach Hadamar, mussten sich in einem großen Saal ausziehen, ihre Personalien wurden von Verwaltungspersonal abgeglichen und sie wurden mit Kohlemonoxid in der Gaskammer ermordet. Im Anschluss erfolgte die sofortige Kremierung. Die Angehörigen erhielten sogenannte Trostbriefe, in denen falsche Todesursachen aufgeführt wurden.
Verf.: Nina Schmidt
Veröffentlicht am 6. November 2025