Christian Evers (1898 – 1964)

Johann Ries und Christian Evers, 1926
Christian und Luise, geb. Stelljes, 1921
Maria Margarete, Luise und Christan Evers, Margarete Plump
Maria Margarete Evers, 1926
Christian Evers, 1928
1. April 1933
Riesstraße 19, 27721 Ritterhude

Christian Evers (1898-1964)

Als 1933 Adolf Hitler von dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, blieb Christian Evers Gemeindeschulze, so war die neue Amtsbezeichnung, ab 1935: Bürgermeister.

In einem Brief an den Amtskollegen Stephan in Hannover 1932 erhofft sich Evers von der neuen Regierung einen Weg aus der hohen Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit ab 1933 wurden demokratische Strukturen systematisch und fortschreitend ausgeschaltet. Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag, Kreistag und Gemeindeausschuss 1933 sah die Sitzverteilung in Ritterhude wie folgt aus: 

SPD – 5 Mitglieder, Liste sachliche Gemeindepolitik – 3 Mitglieder, Liste Sparsamkeit und Gerechtigkeit – 2 Mitglieder, KPD – 1 Mitglied, NSDAP – 1 Mitglied.

Der gewählte KPD Vertreter durfte sein Mandat gar nicht antreten und die 5 gewählten SPD Vertreter nahmen nur an 2 Sitzungen teil, um danach ebenfalls auf Antrag des NSDAP Vertreters mit einfacher Mehrheit für kommende 20 Sitzungen ausgeschlossen zu werden. Christian Evers soll sich bei dieser Abstimmung enthalten haben, sein späterer Einspruch beim Landrat in Osterholz blieb wirkungslos. 

Im April 1933 wurde Christian Evers nahe gelegt, in die NSDAP einzutreten, wenn er sein Amt behalten wolle.

In seinem Entnazifizierungsverfahren versichert Evers später, bis 1933 keiner politischen Partei angehört zu haben, seine Mitgliedschaft in der DVP (Deutsche Volkspartei, Rechtsliberale um Gustav Stresemann) bis 1925 lässt er unerwähnt. Weiter begründet Evers seinen Eintritt in die NSDAP damit, dass ihm seine Nähe zur SPD vorgeworfen worden sei und dass er ansonsten seines Amtes enthoben worden wäre. Er ergänzt weiter, dass er noch jung genug sei und mit 35 Jahren noch viele seit langem gefasste Pläne verwirklichen wolle.

Durch die Fürsprache von einflussreichen Bürgern konnte er im Amt bleiben. Tatsächlich konnte er in dieser Zeit Reparaturen und Verbesserungen an öffentlichen und privaten Gebäuden erwirken, durch Um- und Neubauten erforderlichen Wohnraum schaffen, Straßenbau und Kanalisationsarbeiten, Deich- und Sielbauten im St. Jürgensfeld und am rechten Hamme Ufer den Bau einer Badeanstalt realisieren. Diese Projekte wurden mit Beschäftigungsprogrammen für Arbeitslose und später mit Fremd- und Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen fertiggestellt.

Die Ambivalenz der langen Amtszeit Christian Evers zeigt sich in einem Gerichtsverfahren, das 1934 bis 1937 vier Ritterhuder Bürger gegen ihn geführt haben. Sie warfen ihm vor, sich an Steuergeldern der Gemeinde bereichert zu haben. Evers hielt dagegen, dass es sich hier um eine Kampagne gegen ihn handele, weil die Kläger Aufträge für bestimmte Handwerksarbeiten nicht bekommen hätten und diese anderweitig vergeben worden waren. Drei der Kläger konnten vor einer Gefängnisstrafe bewahrt werden, der vierte musste ein halbes Jahr im Gefängnis absitzen.

Die Verstärkung des Wümmedeiches im Jürgensfeld setzte er 1934 gegen den Willen der Bauern durch, die die alljährlichen Überflutungen ihrer Felder als natürliche Düngung des Bodens ansahen. In seiner Festrede zum ersten Spatenstich betonte er, dass es der nationalsozialistischen Regierung vorbehalten war, „… dem Bauern zu geben, was des Bauern ist“ und forderte weiter die Anwesenden auf, zu Hitlers und Hindenburgs Ehren in ein „Sieg Heil“ einzustimmen.  Die lokale Presse berichtet von weiteren ideologischen Reden bei dieser Gelegenheit, in denen der „Blut- und Boden-Mythos“ angepriesen wurde.

Christian Evers war ab 1931 Verbandsvorsteher vom Deichverband Ritterhude, aus dem sich 1938 der „Ritterhuder Deichverband auf dem rechten Hammeufer“ gründete, dem er bis 1960 vorstand.

Die Einladung zum goldenen Jubiläum des Ritterhuder Freundschaftsbundes in New York nahm Christian Evers zwar nicht an, in der Festschrift wird er aber als freundlicher Gastgeber für heimatliche Besucher aus New York hervorgehoben. „… Auch gedachte der Freundschaftsbund der Notleidenden in Ritterhude und die Berichte und Dankschreiben des liebenswürdigen und vortrefflichen Vorstehers, Herrn Chr. Evers, wurden den Mitgliedern in den Versammlungen mitgeteilt…“

Die in der Mitte der 1930er Jahre in das Straßenpflaster der Straße „An der Untermühle“ eingelassenen beiden Hakenkreuze führten später bei der Wahl Evers zum Landrat zu heftigen Auseinandersetzungen.

Die Aufgabe des Hauptstellenleiters Rundfunk wollte Evers 1938 ablehnen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. In dieser Funktion konnte er bis Kriegsende 1945 acht Rundfunkempfänger aus der „Goebbels Spende“ an parteitreue Bürger der Gemeinde verteilen. Alle Haushalte sollten mit einem Rundfunkempfänger ausgestattet sein, um die Propaganda von Hitler und Goebbels empfangen zu können. Die vorgeschriebenen Feste und öffentlichen Rundfunkübertragungen fanden in Ritterhude auf dem Schulhof der Riesschule statt.

Von wenigen persönlichen Briefen abgesehen, fehlen alle amtlichen Schriftstücke für die Jahre 1933 bis 1945, die auf die Arbeit des Gemeindevorstehers schließen lassen. Christian Evers konnte seinen Nachlass selbst bereinigen. Zeitzeugen berichten, dass es an den Tagen vor der Kapitulation am 8. Mai 1945, als Christian Evers von der britischen Militärregierung seines Amtes enthoben wurde, mehrfach hinter dem Rathaus brannte.

In persönlichen Briefen Evers wird die Lage in den Jahren des Krieges ausführlich beschrieben. Er beschreibt hier 1942 schwere Schäden durch Sprengbomben in 40 m vom Rathaus und der Schlossbrücke und durch Brandbomben an Wohnhäusern und Schuppen. Die Beantragung von 5 öffentlichen Luftschutzräumen führte zur Bewilligung von 1 öffentlichen Luftschutzraum. Seit Sommer 1941 wurde ein größeres Lager für 1000 Personen betrieben, in dem ein tschechisches Baubatallion untergebracht war. Christian Evers nutzte diesen Umstand für den Bau einer ohnehin notwendigen Straße als Auffahrt für das Lager. Die Kosten hierfür zahlte die Stadt Bremen. Zum 25jährigen Dienstjubiläum von Christian Evers erreichten ihn zahlreiche Glückwünsche, die viel Akzeptanz, Anerkennung und Unterstützung zum Ausdruck brachten.

Der Befehl zur Sprengung der für die Versorgung des Ortes so wichtigen Brücken über die Wümme (Nordseite) und die Schloss- und Dammbrücke über die Hamme konnte kurz vor Kriegsende nicht vereitelt werden. 

Die britische Militärregierung enthob Christian Evers am 9. Mai 1945 seines Amtes. Offensichtlich hatte er bereits damit gerechnet, in einer Notiz erwähnt er ein Gespräch mit dem Apotheker Niemann, der ihm versichert, …“Du bis ja gar kein Nazi gewesen, wenn man von dir etwas will, kannst du dich zu jeder Zeit auf mich berufen“…

Die Briten bestimmten den Sozialdemokraten Friedrich Verholen als Nachfolger von Christian Evers zum Bürgermeister. Der Landkreis Osterholz wurde Teil der „amerikanischen Enklave Bremen“ im britischen Besatzungsgebiet. Christian Evers wurde verhaftet und aufgrund seiner Tätigkeit als Kreishauptstellenleiter Rundfunk in ein Lager nach Bremen gebracht und verbrachte ein Jahr in Internierungslagern in Allendorf, Rockenberg, Butzbach und Darmstadt, bevor er im Juni 1946 nach Ritterhude zurückkehren konnte.

Autor: Irmgard Lippert

Quelle: Ulrike Hartung: „Ritterhude – New York – Ritterhude, Gemeindevorsteher Christian Evers und die Geschwister Ries, Edition Temmen, 1. Auflage 2008 

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