Leopold Sinasohn

Familie Sinasohn

Leopold Sinasohn, jüdischer Herkunft, wurde am 22. Januar 1877 in Naumburg/Saale geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Emanuel Sinasohn und Anna Sinasohn, geb. Mendershausen, verzogen von dort nach Berlin, wo Leopold das Mechanikerhandwerk erlernte. Anschließend fuhr er mehrere Jahre zur See, bevor er seinen Militärdienst in Frankfurt an der Oder leistete.

Am 20. November 1909 heiratete Leopold Sinasohn in Magdeburg die nicht jüdische Emma Königsmark, die am 6. Februar 1888 in Parey bei Magdeburg geboren wurde. Mit ihr zog er 1911 nach Kiel, als er dort eine Anstellung als Elektromonteur bei Siemens-Schuckert-Werke AG gefunden hatte. Noch im gleichen Jahr versetzte ihn die Firma in ihre Abteilung „Schiffbau“ bei der Werft AG „Weser“ in Bremen, wo er zum Obermonteur und Mitglied des Technischen Büros avancierte und sogar mit der Montageaufsicht beim Einbau elektrischer Anlagen auf Kriegs- und Handelsschiffen betraut wurde.

Das Ehepaar Sinasohn wohnte in der näheren Umgebung der Werft in Gröpelingen, die Söhne – Paul am 08.05.1912 und Waldemar am 14. 11.1913 – wurden hier geboren. 1914 zog die Familie nach Platjenwerbe, das Dorf wurde zu ihrem Heimatort. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Leopold Sinasohn am 10. Mai 1917 zur Marine einberufen, kehrte aber schon im gleichen Jahr in seine Firma zurück, vom „Waffendienst“ dank seiner hohen Qualifikation freigestellt.

Laut Adressbuch wohnen 1928 die Sinasohns in Platjenwerbe Nr. 61. Durch Fleiß und Sparsamkeit konnten sie ein Grundstück in Platjenwerbe erwerben und ein Haus in der Dorfstr. 62 (Platjenwerbe Nr. 47) bauen. Sie fühlten sich bis in die Nazizeit hinein von der Dorfgemeinschaft „völlig akzeptiert“. Die Söhne wurden im Sinne ihrer Mutter christlich erzogen. Im Dorf spielten Paul und Waldemar, in späterer Zeit auch ihr nachgeborener Bruder Karl-Heinz, eine überragende Rolle als Vereinssportler, ihre Eltern nahmen am gesellschaftlichen Leben des Ortes ebenso regen Anteil.

Als Emma Sinasohn 1929 schwer nierenkrank wurde, änderte sich das bis dahin frohe Leben im Hause Sinasohn. Am 17.02.1933, kurz nach dem Machtantritt der Nazis, entließ man Leopold Sinasohn aus seiner Firma, angeblich wegen „Arbeitsmangels“; im Oktober des gleichen Jahres starb seine Frau. Nachbarn und Freunde kümmerten sich um den bescheidenen Mann, der dem Männerchor und der Feuerwehr angehörte und dem das Dorf zum Teil die Elektrifizierung verdankte, wie Bäckermeister Arnold Bruns zitiert. Aber Trauer und Existenzangst und die Sorge um die Zukunft seiner vom Arier-Paragraphen bedrohten Söhne verdüsterten seine letzten Lebensjahre.

Nach der Pogromnacht schleicht sich in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 ein in Lesum von Bürgermeister und Sturmhauptführer – und damit ranghöchsten SA-Befehlshaber der Region – Fritz Köster zusammengestellter SA-Trupp mit dem „Rottenführer“ Bruno Mahlstedt in die Dorfstraße, holt den 61-jährigen Leopold Sinasohn aus dem Bett und tötet ihn mit mehreren Schüssen. Der Leichnam wird nach einem gespenstisch anmutenden Transport auf einer Wiese in der Nähe des Gasthauses „Lambckens Garten“ in Wollah verscharrt. Dort wird das Platjenwerber Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes wenig später entdeckt, weil ein Arm aus dem Acker ragt. Leopold Sinasohn hat danach seine letzte Ruhestätte auf dem Lesumer Friedhof gefunden.

Laut Dorfchronik befand sich das ganze Dorf Platjenwerbe nach dieser „scheußlichen und gottlosen“ Tat in heller Aufregung und verlangte Aufklärung und Sühne. Leopold Sinasohn war ein durch seinen Beruf und gesellschaftlichen Umgang geprägter Mann, der als „Dorfelektriker“ und im Vereinsleben in Platjenwerbe mit seiner Familie heimisch geworden war.

Die Verfolgung der Familie Sinasohn hatte damit kein Ende gefunden. Bis Kriegsschluss waren Paul und Waldemar Sinasohn in Arbeitslagern interniert, beide überlebten. Ihr Bruder Karl-Heinz kehrte als schwerverletzter Soldat zurück.

Fritz Köster und andere müssen sich 1948 vor dem Landgericht Bremen verantworten, der Hauptangeklagte Köster wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Vorsatz liegt nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht vor. Köster geht in die Revision, die Strafe wird auf 15 Jahre herabgesetzt, der Verurteilte 1953 vorzeitig entlassen. Anschließend arbeitete der Mann, der die Goldbergs in Burgdamm und Sinasohn in Platjenwerbe erschießen ließ, bei der Horten AG in Düsseldorf, später als Berater für die Vegesacker Lürssen-Werft.

Ein Beitrag des Heimatvereins Platjenwerbe

 

 

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